Satire kann eine Einstiegsdroge in die Politik sein
Steckt die seriöse Kommunikation in der Glaubwürdigkeitskrise? Beim Herrenhäuser Wirtschaftsforum verfolgen sachliche Informationen mit einem großen Schuss Humor verpackt ein ernsthaftes Anliegen.
Das Thema zog: „Satire und Spaß als neue Informationsquellen – steckt die seriöse Kommunikation in der Glaubwürdigkeitskrise?“ titelte das Wirtschaftsforum im November in Hannover. Mit Peer Steinbrück, Wolfgang Bosbach, Sportmoderatoren-Legende Werner Hansch und Kabarettist Florian Schroeder waren wortgewaltige Zugpferde auf der Bühne. Mehr als 400 Gäste waren begeistert. Denn die Veranstaltung hielt, was die prominenten Namen versprachen: Informationen, verpackt mit viel Humor – das war das ernsthafte Anliegen von NiedersachsenMetall und Industrieclub, den beiden Veranstaltern.
„Die letzten Wochen verstärken den Eindruck, Parteipolitik entwickele sich zur Realsatire. Das versammelte deutsche Kabarett bekommt ernsthafte Schwierigkeiten hier noch mitzuhalten“, so Dr. Volker Schmidt, NiedersachsenMetall. Bei den Informationsquellen gebe es inzwischen eine geteilte Gesellschaft: klassische Medien werden vor allem von der älteren Generation genutzt, bei den Jüngeren dominierten dagegen Comedy und Satire als Nachrichtenquelle. „Nicht einmal jeder Zehnte unter 20 informiert sich noch regelmäßig aus herkömmlichen Nachrichtensendungen. Stattdessen Comedy. Doch vieles, was wir heute in der Comedyszene erleben, ähnelt mehr dem Prinzip Dampfwalze und hat mit der pointierten Zuspitzung, wie wir sie noch aus dem politischen Kabarett kennen, kaum etwas zu tun. Bleiben so notwendige Informationen auf der Strecke? Die Frage muss erlaubt sein“, so Schmidt.
Was ist echt, was nicht mehr?
Moderator Florian Schroeder: „Wir können immer weniger sagen, was ist echt, was nicht mehr? Wir lesen Überschriften, kennen aber kaum Inhalte. Darauf antwortet gute Satire.“ Und weiter: „Ein versierter Journalist ist die beste Vorbereitung für den Satiriker. Wenn Satire gut gemacht ist, kann sie die Einstiegsdroge in Sachen Politik sein – und genau das ist das Ziel.“
Trump und Brexit als Realsatire
Peer Steinbrück, ehemaliger Bundesfinanzminister, bemerkte, dass man Politik ruhig herausfordern und belasten dürfe. Die Übersetzung von komplizierten Sachverhalten in leichte Sprache könnte den Dialog zur Wählerschaft erleichtern. Er hält die Politik im Augenblick für Realsatire, nicht nur in Deutschland. „Trump und Brexit sind Realsatire. Und es gibt derzeit noch ein paar andere auf der Welt, die man leicht als Komiker bezeichnen könnte, wenn es nicht so ernst wäre.“
Auch der Talk zwischen Werner Hansch und Wolfgang Bosbach war unterhaltsam. Die Bosbach-Botschaft lautete, der Humor dürfe nicht über allem stehen. „Wenn die Leute das Gefühl haben, der albert rum, aber hat vom Thema keine Ahnung, dann lässt es sich beim Publikum nicht punkten“. Dem stimmte auch Prof. Andreas Dörner von der Philipps-Universität Marburg zu: „Die große Gefahr ist, dass Satire nicht erkannt wird. Dann nehmen die Menschen das, was manche Akteure im Scherz sagen, für ernst.“
Unternehmerin Tina Voss aus Hannover sah eine Gefahr für die seriösen Nachrichten: „Wenn die Zuschauerzahlen der heute-show das heute-journal überflügeln, dann muss man sich schon fragen, warum sich das Medienverhalten komplett verändert hat. Ich glaube schon, dass wir eine Glaubwürdigkeitskrise haben.“
Am Ende resümierte Volker Schmidt: „Ich denke, es ist uns gelungen, dank erstklassiger Gäste Nachdenklichkeit mit viel Humor zu verbinden. Herausgekommen ist ein toller Abend, der alle Chancen hat, zu den Hannover-Highlights 2017 gezählt zu werden.“